Bericht – 1966–2016: 50 Jahre Blechbläserchor in der Erlöserkirche München – Teil I

Gründerfieber
1967! Neunundvierzig Jahre ist es her, dass sich der malmende U-Bahn-Tunnelbohrer unter der Leopoldstraße durch das Erdreich wühlte und „Winnetou“ im Mathäser lief. Damals, am 14. Januar wurde die erste offizielle Übungsstunde des neugegründeten Posaunenchoresmit über 20 Bläsern abgehalten. Am 14. Januar 1967? Wieso feiert der Posaunenchor der Erlöserkirche dann im Jahr 2016 sein 50-jähriges Jubiläum?

Der gelernte Musiklehrer Pastor Karl Layer setzte sich mit seinem Dienstantritt in der EmK-Gemeinde Enhuberstraße für die musikalische Vielfalt ein und so sprossen unter seiner Ägide musikalische Gruppen wie Pilze aus dem Boden: Ein gemischter Gesangschor, eine Ensemble für klassische Musik, außerdem traf sich eine Flötengruppe. Später machte er sich für die Anschaffung der Orgel stark. Als dann auf eine Vorankündigung hin aus dem Stand zwei Dutzend potentielle Blechbläserinnen und Bläser ihr Interesse bekundeten, hatte man keine andere Wahl, als einen Posaunenchor zu gründen. Der hochmusikalische Pastor war natürlich treibende Kraft hinter diesem Projekt. Um sich auf das Dirigat vorzubereiten, nahm er Trompetenstunden und hatte auch immer wieder einmal, wenn er etwa aus dem Urlaub zurückkehrte, eine neue Komposition für die Bläser dabei.

Instrumente unterm Weihnachtsbaum
Jedenfalls datiert die Gründung des Posaunenchores schon vor Weihnachten 1966. Das ist sicher, denn der Gründungstag ist rege im Gedächtnis geblieben. Am 19. Dezember 1966 kam nämlich der berühmt-berüchtigte Pundesposaunenwart Wilhelm Dignus vom Bund Christlicher Posaunenchöre Deutschlands (bcpd) nach München und hatte neunzehn verschiedene Blasinstrumente im Gepäck. Diese hatte ein Sponsor der Gemeinde vorfinanziert und sie sollten dann von ihren zukünftigen Besitzern nach und nach abgezahlt werden, bzw. verblieben im Gemeindebesitz. Gerhard Oberländer beschreibt den Gründungstag folgendermaßen: „Wir waren alle, die Auserwählten oder besser diejenigen, die ein Blasinstrument spielen wollten, in der Enhuberstraße versammelt und warteten auf unsere Instrumente. … Und dann kam er, Dignus, der damalige Posaunenwart, sogar Bundesposaunenwart, ein Urgestein der damaligen Zeit. Mit sichtbar aufgesetzten Kennerblick ging er von Mann zu Mann bzw. Frau und durchleuchtete jedes Gesicht auf Breite und Schmäle, Zahnstellung und natürlich auch Lippenbeschaffenheit. Dann fing er an, die Instrumente zu verteilen: Diejenigen mit vollen Lippen bekamen Posaunen zugewiesen, diejenigen mit schmalen Trompeten. Natürlich wollten manche bestimmte Instrumente haben und saßen deshalb ganz unnormal mit fest verschlossenem Mund da. Aber es half nichts. Dignus hatte das letzte Wort. Dann kam ich an die Reihe, für eine Posaune waren meine Lippen zu schmal, für eine Trompete zu voll. Nach langem Überlegen überreichte mir dann doch unser Bundesposaunenwart eine kleine handliche Barock-Tenor-Posaune.“

Überregional
Im Jahr 1967 wird auch der Bayernverband des bcpd aus der Taufe gehoben, da mit den Chören in München, Nürnberg, Erlangen und Fürth eine kritische Masse an Bläsern erreicht worden war. Die überregionalen Treffen etwa zur Schulung in Weißenburg waren allseits beliebt und man erinnerte sich noch gerne daran. Macht das Musizieren mit einer Hundertschaft doch doppelt Spaß, es bietet mehr Lautstärke, einen fliegenden, durchdringenden und tönenden Klang. Bei überregionalen Treffen wurden auch durchaus anspruchsvolle Stücke gespielt und Uraufführungen durchgeführt. In lieber Erinnerung sind auch von Beginn an die Schulungen in Friolzheim: eine Woche intensiven Übens, in der das bläserische Können verbessert wird. Geübt wird sonst zu Hause oder auch in der freien Natur – womit man sich nicht nur Freunde macht! In Friolzheim ist man mit Gleichgesinnten versammelt. Beim Bundesposauentag mit mehreren tausend Bläsern dabeizusein, gehört nach wie vor zu den Höhepunkten einer Posaunenchorbiographie! Überregional eingebunden war die Enhuberstraße bald auch auf ganz andere Weise. Unser ältester aktiver Bläser Hans-Jochen Kopplin wurde nach dem Herzug sofort in den Bläserdienst eingespannt. Marianne Kopplin führte 1975–1988 den bcpd-Verlag, der Notenhefte herausgab. So saßen die Münchner Blechbläser an der Quelle der Posaunenchorliteratur.

Wurfgeschosse
Der Posaunenchor verzierte freilich die sonntäglichen Gottesdienste mit einer schönen musikalischen Untermalung. Das Einblasen wurde auch durchaus einmal auf Gehsteig veranstaltet, um wie Glockengeläut die Anwohner aus dem Bett zu scheuchen und einzuladen. Über den Erfolg dieser Strategie wurde aber kein Buch geführt. Unmut zog man sich auch seitens der Gefängnisinsassen der JVA Augsburg zu. Zusammen mit dem dort ansässigen Gesangschor wollte man musikalische Grüße durch die Gitterstäbe schicken. Bald aber musste man sich wegen der Wurfgeschosse (Glasflaschen!) hinter die Notenständer ducken. Doch besuchte man weiterhin regelmäßig die Strafanstalten in München, um den Gefangenen etwas Abwechslung zu bescheren. So wurden etwa in Stadelheim Bläser- und Chorgottesdienste abgehalten. Schließlich traf man auch Petrus, Paulus und John Wesley oft im Gefängnis.

Ausblick
Beim Ständchenblasen im Krankenhaus, beim Adventsblasen mit der Friedenskirche oder bei Jubilaren (oft gibt es ja danach noch eine leckere Kleinigkeit!) stellen sich die Jungbläser selbstverständlich zwischen die alten Hasen und so wird der Posaunenchor zu einer Generationenübergreifenden Institution. Deshalb wird im nächsten Heft, nachdem nun die Anfänge geschildert sind, die Brücke zur Gegenwart geschlagen werden.

Ergebnisse der Umfrage im Gottesdienst
„Bläsermusik ist festlich“
„kräftig und laut!“
„Der Posaunenchor steht für die Vielfalt der Musik im Gottesdienst“
„moderne Stücke sind toll!“
„Jung und Alt zusammen“
„Ein Hoch auf die Jungbläser“

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